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Neue Zürcher Zeitung, 13. Juli 2004, page 15
Die Politik ist auch im Milizsystem nicht gratis
Zum Dauerthema Parteienfinanzierung und Offenlegung von Spenden
Eiselin Stefan
Aufgrund einer umstrittenen Wahlspende an zwei Politiker ist das Thema Parteienfinanzierung und Kosten
der Politik in aller Munde. Zwei Beiträge befassen sich hier mit der Finanzschwäche der Parteien und den
Aufwendungen für kantonale Politik.
Transparenz wünschbar, aber wohl chancenlos - Andreas Ladner
Wie die Kantone ihre Politiker finanzieren - Pascal Sciarini und Daniel Bochsler
Transparenz wünschbar, aber wohl chancenlos
Von Andreas Ladner*
In der Schweiz ist man nach wie vor der Meinung, dass Politik nichts kosten darf. Das Milizprinzip ist fest
verankert in unserer politischen Kultur, unsere Politikerinnen und Politiker arbeiten freiwillig und
nebenamtlich, und die politischen Parteien sind für ihre Finanzmittel selbst verantwortlich. Kaum jemand
getraut sich, eine Professionalisierung des Bundesparlamentes zu fordern, und Vorstösse für eine staatliche
Finanzierung der politischen Parteien werden in regelmässigen Abständen abgelehnt.
Volksnähe und Bodenhaftung
Der Sonderweg, der hierzulande begangen wird, hat durchaus seine sympathischen Seiten. Lieber Politiker
aus Berufung, die sich aus Überzeugung für eine Sache einsetzen, als Berufspolitiker, die sich ein
lebenslanges Einkommen sichern müssen. Gewährleistet werden Volksnähe und Bodenhaftung, und der
Sozialisationstypus «Parteifunktionär» ist praktisch unbekannt. Die Parteien gehen nicht am Gängelband
des Staates oder, was noch schlimmer wäre, halten sich an ihm schadlos.
Wie so vieles hat aber auch dieser idyllische Zustand seine Schattenseiten. Getreu nach dem Prinzip «Ohne
Leistung keine Gegenleistungen» sind weder Politiker noch Parteien gezwungen, ihre Einkünfte
offenzulegen oder sie bestimmten Reglementierungen zu unterziehen. Zwar erhält man heute - anders als
früher - Einblick in die unspektakulären und kaum gefüllten Parteikassen, das grosse Geld, welches für
Wahl- und Abstimmungskämpfe aufgewendet wird, fliesst jedoch nach wie vor im Verborgenen.
Abgesehen davon, dass die Forderung nach mehr zum Zeitgeist gehört, ist diese Situation aus mindestens
zwei Gründen Demokratie-theoretisch fragwürdig. Zum einen besteht die Gefahr, dass ungleiche Spiesse zu
grossen Wettbewerbsverzerrungen führen, d. h., dass Kandidaten nur gewählt oder Abstimmungen nur
gewonnen werden, weil ein grosses Werbebudget zur Verfügung steht, und nicht, weil sie von der Sache her
zu überzeugen vermögen. Zum anderen regt sich der Verdacht, dass einzelne Parteien oder Mandatsträger
von grossen Geldgebern abhängig sind und letztlich nicht nach bestem Wissen und Gewissen
beziehungsweise dem Allgemeinwohl verpflichtet ihre Funktionen wahrnehmen.
Auch wenn eine grössere Transparenz wünschenswert ist, so hat eine gesetzliche Offenlegungspflicht
politisch wohl kaum eine Chance. Diejenigen Parteien, die besonders stark auf Spenden angewiesen sind, in
der Regel sind dies die bürgerlichen, befürchten finanzielle Einbussen, weil sie nicht zu Unrecht davon
ausgehen, dass sich ein Teil der Spender zurückziehen würden, wenn ihr Engagement für eine bestimmte
Partei an die Öffentlichkeit gelangte. Dazu kommt, dass die Kontrolle einer solchen Offenlegungspflicht nur
sehr schwer umzusetzen ist. Es gibt immer Möglichkeiten, die Auflagen zu umgehen, und die
Parteispendenskandale würden wohl zunehmen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass bereits heute einiges ans Licht kommt. So ganz im Dunkeln
tappen wir nicht, wenn wir uns fragen, mit wessen Geldern der Aufstieg der SVP unterstützt wurde, und dass
Banken, Versicherungen und die chemische Industrie vor allem denjenigen Parteien unter die Arme greifen,
die ihre direkten Interessen vertreten, erstaunt auch nicht. Ganz ähnlich - wenn auch in etwas
bescheidenerem Masse - verhält es sich auf der linken Seite des politischen Spektrums. Sozial- und
umweltpolitische Verbände und Vereinigungen haben ein nachvollziehbares Interesse, ihre
Einflussmöglichkeiten in Bern zu stärken, indem sie ihnen wohlgesinnte Kandidaten unterstützen. Zudem:
Wenn Geld ausgegeben wird, hinterlässt es auch Spuren. Vom Umfang und von der Gestaltung von Wahlund
Abstimmungskampagnen ist der Weg zu den Geldgebern nicht mehr weit.
Politik kostet Geld
Politik kostet Geld, und Demokratien, vor allem unsere halbdirekte, sind auf pluralistische Parteiensysteme
mit leistungsfähigen Parteien angewiesen. Zur Qualitätssicherung der Parteiarbeit braucht es einerseits
genügend Ressourcen und andererseits die Möglichkeit, über die Verwendung der Ressourcen
parteiintern-demokratisch und nicht auf Druck durch die Spender zu entscheiden. Der verstärkte Trend zur
Spezialfinanzierung, das heisst, dass die Geldgeber nicht mehr die Parteiorganisationen selbst, sondern vor
allem konkrete Projekte und bestimmte Kandidaten unterstützen, schmälert den Handlungsspielraum der
Parteien. Der Blick auf Budgets und Personal der nationalen Parteien zeigt, dass nur ein geringer Teil der
Politik-Kosten über die Parteikassen läuft und dass aus den Parteien heraus kaum die notwendigen Ideen
und Ansätze zu einer längerfristigen Gestaltung der Politik erarbeitet werden können. Praktisch jeder mittlere
Interesseverband ist personell stärker besetzt als die Bundesparteien.
Auch die Schweiz wird nicht darum herumkommen, ihre politischen Parteien über kurz oder lang staatlich zu
fördern. Dabei geht es nicht um eine Kompensation möglicher Spendenausfälle durch gesteigerte
Transparenzforderungen, sondern um die dringend notwendige Stärkung unserer Parteien. Eine solche
Förderung hat gezielt und massvoll zu sein. Es geht nicht darum, dass der Staat Beiträge an die Inserat- und
Plakatkosten bezahlt und damit die Gesamtkosten für Wahlkämpfe und Abstimmungen weiter anwachsen
lässt. Es geht darum, dass der Staat die Parteien bei ihren Beiträgen zur Entscheidungsfindung, zur
politischen Information und Meinungsbildung unterstützt und ihnen die Möglichkeit gibt, gewisse Grundlagen
für die Politikformulierung selbst zu erarbeiten. Massvoll hat sie vor allem auch deshalb zu sein, weil allzu
grosse Parteiapparate nicht in unser Milizsystem hineinpassen. Eine weitere Auflage an eine staatliche
Parteienförderung wäre schliesslich, dass sie eine pluralistische Parteienlandschaft fördert.
Hausaufgaben gibt es allerdings auch für die Parteien selbst. Der Vergleich der Parteibudgets,
aufgeschlüsselt nach den drei politischen Ebenen, zeigt, dass die nationalen Parteien spärlich ausgestattet
sind und dass das Schwergewicht bei den Kantonen und den Gemeinden liegt. Dies ist aus föderalistischer
Sicht nicht erstaunlich. Man kann aber nicht fehlende Ressourcen und eine unklare politische Ausrichtung
beklagen und gleichzeitig der nationalen Partei Kompetenzen und Mittel verwehren. Schwache nationale
Parteien sind nicht nur ein systembedingtes Phänomen, sondern teilweise von den Kantonalparteien gewollt.
Dies ist vor dem Hintergrund einer zunehmenden Bedeutung der nationalen und internationalen Politik fatal.
* Andreas Ladner ist Professor für Politikwissenschaft und arbeitet am Kompetenzzentrum für Public
Management an der Universität Bern.
Wie die Kantone ihre Politiker finanzieren
Von Pascal Sciarini und Daniel Bochsler*
Die Parteien sind wichtige Akteure auch in der kantonalen Politik. Abgegolten wird ihnen dies aber kaum, sie
sind auf ihre Mitglieder, auf Mandatsträger und auf Spenden angewiesen. Nur in Genf und Freiburg gibt es
geringe, direkte staatliche Zuschüsse für die Parteien. Dazu kommen in den meisten Kantonen auf ebenfalls
eher geringem Niveau indirekte Beiträge über die Parlamentsfraktionen. Wesentlich sind angesichts dieser
eher geringen Grössen die Ämterentschädigungen für Parlamentarier und Regierungsmitglieder, von denen
jeweils ein Teil an die Parteien zurückfliesst.
Fraktionsbeiträge
Nur die Kantone Genf und Freiburg kennen die direkte Parteienfinanzierung. So zahlte Genf im Jahr 2001
insgesamt 302 000 Franken an kantonale Parteien, als Fixum für jeweils einen zu 50 Prozent angestellten
Mitarbeiter (dieser Betrag wurde seither erhöht), in Freiburg belief sich die Parteienfinanzierung 2001 auf
insgesamt 150 000 Franken. Was die meisten Kantone kennen, sind - wie beim Bund - Zuschüsse an die
parlamentarischen Fraktionen. Diese beliefen sich im Jahr 2001 landesweit auf rund 3,3 Millionen Franken.
Vergleicht man diesen Betrag mit dem jährlichen Gesamtaufwand der Kantonalparteien, kann er als eher
gering bezeichnet werden (vgl. Artikel auf dieser Seite).
Höher sind die Beiträge, die die Kantone direkt als Entschädigungen an die Parlamentarier bezahlen.
Schweizweit liegt die Summe der an die Kantonsparlamentarier ausbezahlten Beiträge rund sechsmal höher
als die direkten und halbdirekten Partei- beziehungsweise Fraktionsentschädigungen (alle Zahlen für das
Jahr 2001). Somit sind die Parlamentarierentschädigungen ein wichtiger Finanzierungsfundus der Parteien.
Viele kantonale Parteien verlangen nämlich einen Teil der Parlamentarierentschädigungen als sogenannte
Mandats-Steuern zurück. Die Entschädigung der Parlamentsmitglieder variiert von Kanton zu Kanton nicht
nur in der Höhe, sondern auch in der Berechnungsart. In der Regel werden für einen halben Sitzungstag 100
bis 150 Franken ausbezahlt; für einen ganzen Sitzungstag 200 bis 300 Franken. Gegenüber dem Schweizer
Mittel überdurchschnittlich entschädigt werden Parlamentarier in den Kantonen Zürich (200 Franken für
einen halben Sitzungstag plus 4000 Franken Jahrespauschale), Tessin (200 Franken für 2 Stunden
Sitzung), Genf (100 Franken pro Stunde), Zug (184 für eine Halbtages-, 307 Franken für eine
Ganztagessitzung, Waadt (350 Franken für eine Ganztagessitzung) sowie Wallis (180 für eine Halbtages-,
250 Franken für eine Ganztagessitzung). Sehr geringe Taggelder zahlen die Kantone Appenzell Innerrhoden
(60/120 Franken für einen halben/ganzen Tag), Ausserrhoden (150 Franken für einen ganzen Tag) und Uri
(70/105 für einen halben/ganzen Tag).
Hinzu kommen Spesenentschädigungen für Reise, Verpflegung und teilweise für Übernachtungen, Zulagen
für Ratspräsidenten und Kommissionspräsidenten sowie für die Verfassung von Kommissionsberichten. In
einigen Kantonen basiert die Entschädigung ganz (etwa in Nidwalden) oder teilweise (in Zürich, Baselland
und Freiburg) auf einer Jahrespauschale. Der Vergleich ist deshalb vor allem auf der Basis des gesamthaft
ausbezahlten Betrags möglich. Im Jahr 2001 erhielt ein Kantonsparlamentarier eine durchschnittliche
Entschädigung pro Jahr von 1300 Franken (im Kanton Appenzell Ausserrhoden) bis 27 000 Franken (im
Kanton Genf). Besonders hohe Entschädigungen zahlen Genf, Waadt, Wallis, Jura, Tessin sowie der Kanton
Baselland und Appenzell Innerrhoden. Dabei muss allerdings die - nicht nur wegen der unterschiedlichen
Kantonsgrösse - sehr unterschiedliche Arbeitsbelastung der Parlamentarier berücksichtigt werden.
Was Regierungsräte kosten
Heute amtieren die Regierungsmitglieder in fast allen Kantonen im Vollamt. Wo dies formell nicht der Fall ist,
kommt das faktische Arbeitspensum in der Regel doch einer Vollzeitstelle gleich. Die Entschädigungen
entsprechen somit ungefähr denjenigen für Spitzenpositionen in den kantonalen Verwaltungen oder liegen
etwas darüber. Bei der Entschädigung der Regierungsmitglieder sind die lateinischen Kantone (im
Unterschied zu den Parlamentarierentschädigungen) etwas bescheidener als die Deutschschweizer
Kantone. Die Entschädigungen korrelieren dabei mit der unterschiedlichen Bevölkerungsgrösse der
Kantone. Hochgerechnet auf ein 100-Prozent- Pensum (inkl. Spesen) verdiente ein Regierungsmitglied im
Kanton Appenzell Innerrhoden im Jahr 2001 gut 135 000 Franken, im Kanton Zürich dagegen 335 000
Franken. Der Durchschnitt aller Kantone lag 2001 bei rund 232 000 Franken für eine Vollzeitstelle.
* Pascal Sciarini ist Professor am Institut de hautes études en administration publique in Lausanne; Daniel
Bochsler ist Assistent am IDHEAP. Vgl. Datenbank über die Kantons- und Städteverwaltungen (BADAC),
betreut vom IDHEAP und finanziert von den Schweizer Kantonen und einer Reihe von Schweizer Städten
(www.badac.ch) |