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Neue Zürcher Zeitung, 30. October 2003
Die neue Zauberformel
Arithmetik beim Wort genommen
Regierungszusammensetzung mit dem Taschenrechner
se. Das politische System der Schweiz beruht auf Repräsentation und Konsens. Die wichtigsten politischen Kräfte sollen gemäss ihrer Stärke in der Regierung vertreten sein, so sie sich denn zur Kollegialität bekennen. Grosse Sprünge, Brüche oder gar «Revolutionen» sind nicht systemkonform, weshalb die Bundesversammlung bei der Regierungszusammensetzung nie strikt nach arithmetischen Überlegungen gehandelt hat. Nun verlangt die SVP neuerdings aber eine «echte» Konkordanz und meint damit die arithmetische. Implizit hat sie damit die Frage aufgeworfen, wie denn nun eigentlich eine von politischen Überlegungen losgelöste, rein rechnerische Verteilung der Regierungssitze aussehen würde. Dieser Frage haben sich die Politikwissenschafter Daniel Bochsler, Alex Fischer und Pascal Sciarini vom Lausanner Institut de hautes études en administration publique (IDHEAP) angenommen.
Die Autoren haben gebräuchliche und diskutierte Proporzverfahren hypothetisch auf die Regierungszusammensetzung angewandt. Würde man - wie das bei der Vergabe der Nationalratssitze der Fall ist - nach dem Verfahren von d'Hondt vorgehen (auch Hagenbach-Bischoff genannt), kämen aufgrund der Ergebnisse (nur) der Nationalratswahlen der SVP drei Sitze zu, der SP zwei sowie der FDP und der CVP je ein Sitz. Ein anderes mathematisches Verfahren nach André Sainte-Laguë legt Proportionalität stärker zugunsten kleinerer Parteien aus. Gemäss diesem Verfahren kämen laut der Lausanner Studie der SVP und der SP je zwei Sitze, der FDP, der CVP und den Grünen je ein Sitz zu. Es würden also nach diesem Verfahren, wie die Autoren zeigen, beide Wahlgewinner vom Oktober (SVP und Grüne) von einer Neuverteilung der Sitze profitieren.
Nun kennt die Schweiz allerdings ein Zweikammersystem mit zwei gleichberechtigten Räten. National- und Ständerat bilden zusammen die Bundesversammlung, und diese ist das Wahlgremium für die Regierung. Wenn nun - wie die Autoren das in einem zweiten Schritt darlegen - für die Berechnungen die Gesamtsitzzahl der Parteien in der Bundesversammlung als Grundlage herangezogen wird, sieht es für die FDP besser aus: Egal nach welchem der beiden oben erwähnten mathematischen Verfahren man vorgeht und unabhängig davon, wie die noch offenen zweiten Wahlgänge für den Ständerat ausgehen, würden den drei Parteien SVP, SP und FDP je zwei Sitze im Bundesrat zustehen, der CVP dagegen nur noch einer. So viel zu den Proporz-Rechenspielen. Real wählt die Bundesversammlung am 10. Dezember sieben Bundesräte - einzeln und jeweils mit absolutem Mehr der abgegebenen Stimmen. |