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Neue Zürcher Zeitung, 16. Oktober 2009 (Nr. 240), Seite 14

Keine Gewinner nach elf kantonalen Wahlen

Eine Zwischenbilanz zwei Jahre vor den eidgenössischen Wahlen 2011

In den kantonalen Wahlen der letzten zwei Jahre konnten die mit den Liberalen fusionierten Freisinnigen nicht alle bisherigen Wähler halten. Die zwei neuen Kleinparteien, BDP und Grünliberale, bleiben marginal, währenddem Rotgrün Stimmen und Sitze verliert.

Daniel Bochsler und Pascal Sciarini*

Genau zwei Jahre vor den nationalen Wahlen 2011 lässt die Serie von elf kantonalen Wahlen der Jahre 2008 und 2009 erste Trends über den Erfolg neuer Parteien an der Urne erkennen. Gewählt haben durchaus auch grössere und bedeutende Kantone, wie Aargau, St. Gallen, und am vergangenen Wochenende Genf. Gerade für die neuen Parteien – Grünliberale und BDP – und für die frisch vermählten Freisinnigen und Liberalen sind dies wichtige Gradmesser für ihre Popularität bei der Wählerschaft. Keine der drei kann sich bislang zu den Gewinnerinnen zählen.

FDP + Liberale = 1 + 1 = 2 ?

Durch die Fusion konnte sich die FDP zwar um beinahe drei Prozentpunkte steigern, und liegt jetzt mit einer gewichteten Stärke von 21.8% in den Kantonsparlamenten an der Spitze, dicht gefolgt von der SVP mit 21.6% (siehe Grafik). Doch die Gleichung 1+1=2 gilt für Parteifusionen nicht, zumindest nicht punkto Wähleranteile. So konnten auch FDP und Liberale nicht alle Stimmen halten, die sie getrennt jeweils erreicht haben. Insgesamt erlitten die Freisinnig-Liberalen in den drei Westschweizer Wahlen dieses Jahres netto Stimmen- und Sitzverluste, unabhängig davon ob sie kantonal immer noch getrennt (GE) oder gemeinsam antraten (VS, NE). Nach unserem Index der Parteienstärke in den Kantonsparlamenten belaufen sich die bereits erlittenen Verluste auf 0.6% gegenüber 2007.

Besser als die Grafik suggeriert erging es der SVP. Diese hat zwar seit 2007 Sitze verloren (-1.1%) und rangiert neu bei 21.6% knapp hinter der FDP. Dies ist aber auf den Ausschluss der Bündner Parteisektion und dem darauf folgenden Übertritt eines Teils ihrer Berner Grossräte und Glarner Landräte in die BDP zurückzuführen. Ohne Abspaltung hätte die SVP immer noch etwa 1% an Sitzen gutgemacht, und sie konnte in einigen Deutschschweizer CVP-Stammlanden deutlich Stimmen gewinnen – nämlich in Schwyz, St. Gallen, vor allem aber im Oberwallis, wo sie in manchen Bezirken heuer erstmals antrat

Grosse Erwartungen, wenig Sitze: BDP, Grünliberale

Die BDP hingegen hat ihre elektorale Taufe erst noch zu bestehen. Gemäss ihrer Stärke in den Kantonsparlamenten (2.3%) gehört sie im schweizerischen Parteiensystem zu den Kleinstparteien, und dies fast ausschliesslich dank von der SVP geerbten Mandaten. Ob sie diese halten kann, wird sich im ersten Halbjahr 2010 zeigen, wenn in Bern, Glarus und Graubünden gewählt wird. Einzig im Aargau, wo sie in den Wahlen 2008 neu antrat, konnte sie aus eigener Kraft vier Sitze (von 140) gewinnen. Hoffnung dürften der BDP indes die Gemeindewahlen im Kanton Bern bereiten, wo sie sowohl in ländlichen Gemeinden wie in Städten zu Lasten der anderen bürgerlichen Parteien gut abschnitt, selbst wo sie keine bekannten Kandidaten präsentieren konnte. Ob dies bloss eine kurzfristige Sympathiebekundung an die neue Bundesrätin Widmer-Schlumpf war, wird sich in den kommenden Monaten und spätestens in den Nationalratswahlen 2011 weisen.

Trotz grosser Erwartungen nach ihrem Zürcher Coup in den Wahlen 2007 konnten die Grünliberalen ihr Format als Zürcher Regionalpartei kaum abstreifen. Zwar zogen sie in fünf weiteren Deutschschweizer Kantonsparlamenten ein, aber abgesehen von Basel-Stadt bewegen sich ihre Sitzanteile im Promillebereich (SG) oder im tiefen einstelligen Prozentbereich (AG, SO, TG). Damit werfen sie gesamtschweizerisch bloss 1.5% auf die Waagschale – kaum mehr als die national unbedeutende EDU etwa. Ob Grünliberale und BDP die nächsten nationalen Wahlen überleben werden, oder sich bald in den Armen einer der grossen Parteien wiederfinden, wird sich erst noch weisen müssen.

Ebensowenig können sich aber CVP oder die Linke zu den Gewinnern zählen. Nachdem sich die Christlichdemokraten in der Legislaturperiode 2003-07 stabilisieren konnten, gehören sie seit 2007 wieder zu den Verlierern (-0.8%). Auch die SP kann, wie ihre ausländische Schwesterparteien, nicht von der Wirtschaftskrise profitieren. Noch 2005 und 2006 war sie, gemeinsam mit der SVP, die stärkste der Parteien in den Kantons­parlamenten. Seither summieren sich die Verluste aber auf fast 4% der Parlamentssitze, und dieser Trend hält auch nach den verlustreichen nationalen Wahlen 2007 an. Dramatisch sind die Verluste in Schwyz, St. Gallen, und Thurgau. Einzig im Wallis, wo die SP aber meist mit gemischten Listen mit Grünen oder Christlichsozialen antrat, blieb die Partei stabil. Keineswegs deuten die SP-Verluste aber bloss auf Verschiebungen innerhalb des rotgrünen Lagers hin. Auch lässt sich nicht sagen, dass die Grünen der SP auf den Fersen sind, oder sie gar überholen, wie dies 2006 in Zug, und diese Woche in Genf geschah. Noch immer sind die Grünen (inkl. Grünalternative) mit 9.3% (+0.3%) nicht einmal halb so stark wie die SP, und die Partei gewinnt viel weniger schnell als in früheren Jahren. Vor allem aber bringen den Grünen die Gewinne wenig, solange sie in den Parlamenten auf die SP als Bündnispartnerin angewiesen sind, und diese weit dramatischer Stimmen und Sitze verliert, als sie es wett machen könnten.

Für diese Berechnung der Parteienstärke in den Kantonsparlamenten haben wir dabei die Sitzzahl der Parteien in 25 Kantonen (ohne AI) mit der Bevölkerungszahl und der Parlamentsgrösse gewichtet. Dies ermöglicht den Vergleich zu den nationalen Wahlen, aber auch einen Vergleich über die Zeit, ohne dass die Resultate zu sehr durch kleine Kantone beeinflusst werden, und unter Berücksichtigung, dass etliche Kantone ihre Parlamente verkleinern; - seit 2007 waren dies Basel-Stadt, Schaffhausen und St. Gallen.

Daniel Bochsler, Central European University, Budapest

Pascal Sciarini, Universität Genf

 

Grafik : Veränderung der Parteienstärke in den Kantonsparlamenten, 2007-09, gewichteter Index. Quelle: Daniel Bochsler, www.bochsler.eu

 

Grafik : Der Aufstieg der Grünen in den Kantonsparlamenten, 1990-2009, gewichteter Index, sowie Wähleranteile in den Nationalratswahlen. Quelle: Daniel Bochsler, www.bochsler.eu

Grafik : Veränderung der Parteienstärke in den Kantonsparlamenten, 1995-09, gewichteter Index. Quelle: Daniel Bochsler, www.bochsler.eu

 

update: 16/10/2009